In einer dunklen Winternacht saßen die Bewohner eines einsamen Hofes gemeinsam um das Feuer der kleinen gemütlichen Stube. Die Kinder saßen zu Füßen ihrer Eltern und Großeltern. Die Flammen warfen flackernde Schatten an die Wände und verbreiteten Wärme und Licht. Gebannt lauschten alle, denn der Großvater erzählte eine Geschichte.
Mit einem leichten Lächeln betrachtete er die Gesichter. „Heute erzähl ich euch von einer Kriegerin, der unser Land sein Glück zu verdanken hat“, begann er mit kratziger Stimme zu sprechen und beugte sich in seinem Stuhl nach vorne. „Denn ihr müsst wissen, uns ging es nicht immer so gut, das Land war kahl und die Ernten schlecht. Die Winter waren lange und eisig kalt, die Sommer drückend heiß und trocken. Es war ein hartes Leben und kaum einer fand darin sein Glück. Der König sah sein Volk leiden und wusste nicht, wie er es mildern sollte. Er schickte seine Gesandten in alle Himmelsrichtungen, um nach dem Glück zu suchen und viele Jahre zogen ins Land ohne eine Nachricht, die Hoffnung gebracht hätte.
Eines Tages jedoch kam ein Greis an den Hof des Königs. Der alte Mann hatte weiße Haare und einen weißen Bart und beides reichte fast bis zum Boden. Er musste aufpassen nicht darauf zu steigen und so manch einer belächelte den alten Mann nur. Doch als der König in seine Augen blickte, ahnte er nur, dass in den tiefen, grauen Augen mehr verborgen lag. Der Mann berichtete von einem Schatz. Keinem großen oder reichen Schatz, denn er besteht aus nur einem Kelch. Doch dieser Kelch trägt das Glück, die Hoffnung in sich, das Leben.
Die Augen des Königs wurden groß bei dieser Erzählung. Dieser Kelch wäre die Rettung für sein Land. Doch der alte Mann berichtete auch von einer Schlange, die den Kelch bewacht und danach trachtet ihn zu vergiften, das Innere mit Hass und Zorn zu füllen, statt mit Liebe und Hoffnung.
Der König hörte die Warnung, doch sein Entschluss war bereits gefasst. Er sandte sieben seiner besten Krieger aus, den Kelch zu holen und ins Land zu bringen und damit das Glück.
Die sieben Krieger zogen schon bald aus und viele Woche verstrichen ehe sie zurückkehrten. Sie waren unversehrt, so schien es und siegreich ritten sie, den Kelch hoch erhoben zurück zum Palast. Sehnsüchtig hatte der König sie erwartet und als er endlich den Kelch in Händen hielt, blühte das Land auf. Die Felder trugen reiche ernten, die Wälder strotzten vor Leben und die Menschen reichten sich voller Glück die Hände. Alles war friedlich. Der Schein täuschte jedoch.
Es dauerte nicht lange, da wurden die sechs der sieben Krieger unruhig. Sie fingen Streit an, wo dies nur möglich war und hatten keine Hemmungen mehr. Zorn und Hass griffen um sich. Der König beobachtete verzweifelt das Geschehen und musste zusehen, wie seine Untertanen Hass, Neid und Zorn verfielen, als wäre ihr Geist vergiftet worden. Es musste am Kelch selber liegen! So dachte sich der König und befahl seiner letzten verbliebenen Kriegerin, die damals den Kelch ins Land gebracht hatte, ihn wieder fort zu bringen, soweit wie es ihr möglich war.
Die Kriegerin, die siebte im Bunde, war dem Zorn nicht verfallen, warum wusste niemand. Ihrem König treu ergeben, würde sie den Kelch holen und aus dem vergifteten Land bringen. Als sie den geheiligten Raum im höchsten Turm des Palastes betrat und nach dem Kelch griff, erklang ein Zischen. Gefährlich und drohend. Doch Ecco – so hieß die Kriegerin – wich nicht zurück, als sich aus dem Inneren des Kelchs eine Schlange erhob. Sie war pechschwarz und ihre Augen glühten Unheil verkündend. Sie hatte sich am Boden des Kelches zusammengerollt und versteckt. Voller Geduld wartete sie und vergiftete den Kelch des Lebens und damit das ganze Land langsam aber stetig.
Da wusste die Kriegerin, dass der Kelch nicht die Ursache des Übels war, sondern die Schlange. Sie trachtete nur danach Chaos und Zerstörung zu bringen. Sie griff nach ihrem Schwert, um der Schlange den Kopf abzuschlagen. Mit einem mächtigen Hieb zielte sie auf ihren Leib. Doch sie wehrte sich, wuchs immer weiter an und wich dem Schwert aus. Ein unerbittlicher Kampf tobte zwischen Ecco und dem Biest. Stundenlang rangen sie miteinander. Die Kriegerin war verletzt, blutete aus unzähligen Bisswunden, doch sie wollte nicht aufgeben. Mit eisernem Willen hieb sie weiter auf die Bestie ein und als die siebte Stunde verstrichen war, war plötzlich alles vorbei! Mit einem Mal war es toten Still. Die Klinge des Schwertes glitt, wie durch Butter, durch den Hals der Schlange. Für einen Moment stand die Welt still, dann viel ihr Kopf mit einem dumpfen Knall zu Boden, der Körper erschlaffte und die Schatten zogen sich zurück.
Das Übel war besiegt, das Gift verlor seine Wirkung und mit einem Schlag herrschte wieder Glück und Zufriedenheit im Land.
Bis heute! Der Kelch, so sagt man sich, sei noch immer im höchsten Turm verborgen, beschützt durch das Skelett der Schlange und niemand wagt sich dorthin vor. Doch so lange der Kelch sich dort befindet, können wir alle sicher und glücklich leben.“
Als der alte Mann seine Geschichte beendet hatte, jubelten die Kinder und die Eltern lächelten milde. Das Feuer war heruntergebrannt und Lider wurden schwer. „Und nun ist es Zeit fürs Bett“, sagte der alte Mann, erhob sich und schlurfte zur Tür.